Kreatives
Ich hab heut‘ Nacht geträumt
Irene Olthoff
Ich hab heut‘ Nacht geträumt
Es gäbe keinen Krieg
Nicht im Großen, nicht im Kleinen
Der Hass wäre besiegt
Können wir frei sein
Mit zugekniffenen Augen
Mit dem Gedanken allein
Uns die Freiheit erlauben
Wenn wir fühlen, sind wir dann
Auch nicht mehr einsam
Bitte sag mir wann –
Und wie wird unser Wirken heilsam
Wenn wir uns selbst umarmen
Bringt es dann zurück
Was an vergang’nen Tagen
Fehlte für unser Glück
Und wenn es für immer fehlt
Wie durchbrechen wir
Den Schmerz, der uns beseelt
Wie kommen wir an im Hier
Gehen wir gegen Strömung und Wind
Lösen uns aus verrosteten Zangen
Um dort wo wir gerade sind
Neu anzufangen
Ich hab heut‘ Nacht geträumt
Es gäbe keinen Krieg
Wir müssten nicht kämpfen heut‘
Nur eine Ahnung blieb
Es wäre vergessen Gewalt
Wir wüssten nicht, was das sei
Uns wäre nie wieder kalt
In meinem Traum waren wir frei
Der kleine Pinguin in der Wüste
Eine Heldenreise von Fatma
Der kleine Pinguin steht auf, wie schon die Tage davor, und kämpft sich von einer Pfütze zur nächsten. Pfützen, die sind hier in der Wüste sehr knapp. Der kleine Pinguin kann sterben, wenn er nicht genug Wasser bekommt.
Aber der kleine Pinguin kennt es nicht anders, steht morgens auf und kämpft sich von einer Pfütze zur nächsten. Sucht Pfützen, um am Leben zu bleiben. Das macht dieser kleine Pinguin schon immer. Also jeden Morgen aufstehen, sich von einer Pfütze zur nächsten Pfütze kämpfen. Das ist immer sehr knapp.
Da sind noch Andere, die nicht wie der kleine Pinguin aussehen, aber seine Familie sein sollen und es auch sind. Glaubt er. Die sind da, aber sehen den kleinen Pinguin nicht. Sie leben ganz normal in der Wüste. Sie müssen nicht kämpfen, um zu überleben. Diese Familie ist da, ist in der Nähe, aber der kleine Pinguin fühlt sich sehr, sehr einsam. Allein. Fühlt sich nicht zugehörig, fühlt keine Bindung, Nähe, Sicherheit: Dieser kleine Pinguin in der Wüste, wo die Hitze unerträglich ist, kämpft jeden Tag ums Überleben.
Der kleine Pinguin steht auf, kämpft sich von einer Pfütze zur nächsten Pfütze, um zu überleben und nicht auszusterben. Um nicht aufzuhören zu existieren. Tagein, tagaus.
Und das die ganze Zeit, sein ganzes Leben, in einer Wüste, wo er jeden Tag kämpfen muss, um zu überleben.
Eines Tages sieht der kleine Pinguin neben der Wüste eine Tür. Wenn diese sich öffnet, sieht er Wasser. Ein weites Meer, eine Landschaft, mit Schnee, Schneebergen. Er sieht auch sehr viele Tiere, solche, die aussehen wie er.
Aber er denkt sich dabei nichts und geht auch nicht durch die Tür. Der Pinguin kennt nur die Wüste, tagein, tagaus. Er muss kämpfen, um zu überleben, es ist sehr, sehr belastend. Sein ganzes bisheriges Leben kämpfte er und es fühlt sich an wie Normalität. Also jeden Tag kämpfen, um am Leben zu bleiben und nicht zu sterben.
Der kleine Pinguin wird erwachsen und es kommen andere Tiere dazu. Sie sehen eigenartig aus, gefährlich und böse.
Die bösen Tiere sehen den Pinguin jeden Tag kämpfen, von einer Pfütze zur nächsten Pfütze, um zu überleben. Sie sehen, es ist sehr knapp, der Pinguin ist erschöpft und am Ende seiner Kräfte. Den bösen Tieren ist es egal, ja sogar nicht genug.
Sie sehen den Pinguin am Ende seiner Kräfte, aber sie tun sich zusammen und bekämpfen ihn. Er lässt alles mit sich machen. Sie verletzen und tun ihm weh, er wehrt sich nicht. Jeden Tag tun sie ihm weh, mal einer, mal zwei, sehr oft alle gemeinsam. Er wird von den bösen Tieren fertig gemacht. Und zwischen den Verletzungen der bösen Tiere kämpft er sich von einer Pfütze zur nächsten Pfütze, oft gelingt es nur knapp am Leben zu bleiben. Und immer wieder wird er angegriffen von den bösen Tieren.
Die Familie, die seine sein sollte, sind da, aber sie leben so, als würden sie nicht sehen, was für Kämpfe der Pinguin überleben muss. Seine Familie lebt ihr Leben weiter und tun so, als wäre nichts. Der Pinguin fühlt sich im Stich gelassen und verraten. Die, die für ihn da sein sollten, halten, unterstützen und Sicherheit geben, tun nichts und leben deren Leben weiter.
Der Pinguin kämpft weiter, um zu überleben, aber verteidigt sich nicht. Er denkt er hat kein Recht darauf. Denkt, dass es normal ist, dass die anderen bösen Tiere ihn verletzen und wehtun. Und dass er es verdient hat, weil er nicht liebenswert ist. Er kämpft ganz allein weiter, trotz großer Familie um sich. Er kämpft nur, um zu überleben, aber verteidigt sich nicht. Er lässt es zu, dass die bösen Tiere ihn immer verletzen und wehtun. Sehr oft sind die Verletzungen nicht geheilt und dann kommen schon Neue dazu. Dazwischen kämpft der Pinguin von einer Pfütze zur nächsten Pfütze, dies oft sehr knapp. Der Pinguin kann sterben, wenn er nicht genug Wasser bekommt.
Die Verletzungen heilen nicht und es kommen immer mehr dazu. Der Pinguin ist erwachsen, wehrt sich aber nicht, weil er es nicht anders kennt. Er musste schon als kleiner Baby-Pinguin überleben.
Also kämpft der Pinguin weiter, um am Leben zu bleiben. Er muss die heiße Wüste überleben, kämpft sich von einer Pfütze zur nächsten und erträgt die Verletzungen der bösen Tiere.
Dieser Pinguin lebt jeden Tag so weiter, überlebt die Wüste und die Verletzungen.
Bis der Tag gekommen ist, er fühlt sich so erschöpft, ausgetrocknet. Er hat keine Kraft mehr von einer Pfütze zur nächsten Pfütze zu gehen, um Wasser zu trinken und zu überleben.
Er ist so erschöpft, müde, und die bösen Tiere wollen ihm heute den Rest geben. Doch beim Angriff hat sich wieder die Tür geöffnet, zu dem anderen Ort, dort, wo das Meer, der Schnee, und die vielen Tiere sind, welche ihm ähneln. Beim Kämpfen fällt er durch die Tür durch und nach langer Zeit wacht er auf. Er fühlt sich gut, nicht verletzt, und öffnet seine Augen. Er sieht erfreut, dass ganz viele um ihn herum sind wie er. Sie lächeln ihn alle an und freuen sich, dass er da ist. Er muss nicht mehr kämpfen und ist dort, wo er hingehört. Da, wo es auch Geschöpfe gibt, die so sind wie er.
Die Kriegerprinzessin
Eine Heldenreise von Julia Rummel
Ich war ein kleines Mädchen, vor 5 Jahren geboren. Ich war in einem Zauberwald umgeben von Feen, Trollen und natürlich den Zwergen, wo die Bäume, Blumen miteinander sprechen. Auf dem Berg hinter dem Wald lebte meine Stiefmutter, die böse Königin, die kleine Kinder als Jungbrunnen brauchte. Sie sog ihre Seelen aus!
Es traute sich niemand gegen sie zu kämpfen, die böse Königin war zu mächtig! Ich wusste nicht wer ich bin, war mir auch egal, aber: Ich war oft alleine, wurde rumgeschubst, nicht akzeptiert, keiner wollte mich liebhaben. Ich war oft traurig, verletzt und verstoßen, es tat weh. Ich weinte viel und wo meine Tränen fielen, starb alles. Plötzlich wurde es dunkel, die Dunkelheit breitete sich über den ganzen Wald und das Tal. Die böse Königin flog auf ihrem wunderschönen Drachen, kam um sich neue Kinder zu holen! Alle schrien und liefen weg! Ich spielte alleine auf einer Blumenwiese ohne Schutz vor jeglichen Gefahren. Keine Bäume, keine Höhle zum Verstecken. Ich lief so schnell ich konnte. Doch der Drache griff nach mir, sie nahm mich in ihre Gewalt! Der böse, dunkle Zauberer hatte mich gefunden und verraten. Ich war gefangen. Sie hasste mich, weil ich all das war, was sie sich wünschte.
Doch dann kamen die Feen-Trolle und befreiten mich. Wir flohen durch geheime Gänge, ich war in Sicherheit. Jahre später fand ich heraus, wer ich bin. Ich war die Prinzessin des Waldes! Ich wurde zu einer Kriegerin, stark, schön und mutig! Ich wollte nur den Frieden und Liebe für alle. Ich sammelte alle Waldbewohner, alle gingen mit. Wir flogen in den Krieg, um die böse Königin zu fangen und für immer in den Kerker einzusperren! Mein neuer Freund, der Drache, wachte über mich. Wir lebten in Gemeinschaft in Frieden und Liebe. Jeder der zu uns wollte, wurde aufgenommen. Die bösen Gedanken verpufften, sobald sie auf den Zauberwald trafen. Kriege und Gewalt gab’s nicht mehr! Die schöne Prinzessin, die zur Kriegerin wurde, hat viele Kämpfe ausgetragen, es war ein leidvoller Weg. Nun darf sie gemeinsam mit den anderen Waldbewohnern, mit ihrem Freund den Drachen und einem befreundeten Krieger, welcher mehr sein könnte, friedlich leben und die anderen Seiten des Daseins kennen lernen.
Maya
Eine Heldenreise von Laura
Die Heldin heißt Maya. Sie ist manchmal da und manchmal nicht. Sie ist unsichtbar sichtbar und sichtbar unsichtbar. Sie kommt, wenn sie gerufen wird und wenn man sie nicht ruft. Niemand entscheidet es. Nur sie selbst. Welchem Ruf wird sie folgen und welchem nicht? Wenn sie gerufen wird, überlegt sie sehr genau, für was sie kommen soll. Da sie stark ist, möchte sie niemanden überfordern. Sie handelt überlegt…
Eine arme Frau, fragt sie schon sehr lange nach Hilfe, doch Maya lehnt ab. Die arme Frau weiß das nicht, da Maya in ihrer Welt nicht gewohnt kommuniziert, sondern sich nur zeigt, wenn sie möchte. Nur hilft, wenn sie möchte. Kaum jemand hat sie je gesehen, da sie auch unsichtbar helfen kann. Die arme Frau fleht immer mehr nach Hilfe, so überlegt sich Maya etwas. Sie möchte sich der Frau zeigen, da sie das auch kann.
So erscheint sie der Frau; Sie ist verbittert, unzufrieden und ihre Seele scheint verdunkelt. Maya kann sie sehen; Ihr Innerstes sehen. Sie fragt die Frau: „Wofür bin ich hier?“ Die arme Frau antwortet: „Mein Leben ist voller Schuld. Mir wurde Schlimmes angetan. Maya schaut sie tief an und verwandelt sich in einen Spiegel der inneren Seele der Frau. Die Frau erschrickt zutiefst. „Maya, nimm das weg. Mach es sofort weg“, klagt die Frau laut. Maya reagiert nicht und zoomt den inneren Spiegel der Frau noch stärker ran. Die arme Frau scheint ganz von Sinnen, schreit, schlägt um sich – doch trifft Maya nicht, da Maya keinen normalen Körper hat. Maya, die früher ein anderes Leben hatte, bevor sie Maya wurde, wundert sich nicht mehr um das Verhalten der armen Frau, sie kennt sie… und lässt sie einfach stehen und verabschiedet sich. Das macht die Frau sehr wütend, wie Maya aus ihrer Unsichtbarkeit beobachtet. Maya überlegt…
Sie wird jemand anderen damit beauftragen, der Frau zu helfen. Sie möchte es nicht tun. So schickt sie einen Freund. Er ist ein Sichtbarer, aus ihrer früheren Welt. So sucht er also die arme Frau auf. Er sagt ihr nicht, dass Maya ihn geschickt hat, sondern übergibt ihr einen Korb von Leckereien, die Maya für sie ausgesucht hat. „Für Dich, zur Freude“, sagt er. Ein Lächeln, eine sanftmütige Regung zeigt sich in der armen Frau. Ihre Seele scheint berührt. Doch dann, wieder dieser ängstliche Ausdruck in ihrem Blick. Sie hat Angst denkt Maya, die alles beobachtet. Die Frau dreht sich von dem Fremden weg. „Mir kann keiner helfen, es ist hoffnungslos.“ Der Fremde fragt: „Warum?“ – „Meine Tochter ist sehr krank. Ich trage Schuld“, sagt sie zaghaft. „Weiß das ihre Tochter?“, fragt der Mann. „Nein, sie ist von mir gegangen, in eine andere Welt.“ – „Vielleicht geht es ihr dort gut“, sagt er. „Ich hoffe es jeden Tag“, sagt die Frau unter Tränen. Plötzlich ist es weicher in der Frau, beobachtet Maya. Der Fremde sagt: „Ich weiß ganz sicher, dass es ihr gut geht und nun, sorge dich nicht mehr!“ Es wird still in der Frau. Es entsteht Herzenswärme, denkt Maya. Sie schaut ihrem Freund und der Frau noch ein wenig zu, wie sie ganz still beieinandersitzen und denkt dann: „Tschüss Mama und sorge dich nicht mehr.“
Es war einmal…
Eine Heldenreise von Swantje Adermann
Es war einmal eine kleine Elfe, die wurde von einer bösen Hexe an einer unsichtbaren, dehnbaren Kette gefangen gehalten. Sie konnte sich jedoch frei damit bewegen und wurde, sobald die Hexe nach ihr verlangte, an dieser herbeigezogen.
Doch nach mehreren Wald-und-Wiesentherapien, lernte sie einen Elfenmann kennen. Der half ihr, gemeinsam mit der Wald-und-Wiesentherapeutin, eine Formel für eine Zaubertinktur zu finden, die heimlich bei Vollmond auf die Kette gesprenkelt, diese in Wohlgefallen auflösen würde. Die Elfe braute also, unbemerkt von der Hexe, dieses Gebräu nach der erarbeiteten Formel zusammen und besprenkelte die Kette bei Vollmond. Die Kette löste sich zischend wie eine Zündschnur auf. Plötzlich erwachte die Hexe. Doch es war zu spät. Die unsichtbare Kette war verschwunden und die Elfe frei. So konnte die Elfe mit dem Elfenmann in die Nacht entfliehen.
Doch die Elfe merkte zu ihrem Leidwesen, dass der Elfenmann nicht mehr ihre Liebe erwiderte und somit suchte sie sich ein eigenes Blätterhaus in einem schön gewachsenen Baumviertel. Orientierte sich neu mit ihrer wiedergewonnenen Freiheit, die gleich zweimal stattgefunden hat, zu ihrer Verblüffung. Doch sie blieb mit diesem liebenswerten Elfenmann in Verbindung und fing an, sich ein neues Leben aufzubauen.
Der Drache Smaragog
Eine Heldenreise von Irene Olthoff
Einst wandelte die Heldin Arajaína im dunklen Tal, dort wo die Dämonen sind. Sie war ein Kind und sie war allein. Da passierte es, dass das finstere Land sie verfärbte und der Drache Smaragog von ihr Besitz ergriff. Er war nicht einfach nur ein Drache, wie man ihn sich vorstellt. Nein, er war noch viel perfider. Er war ein immaterielles Geistwesen und schlich sich ungesehen, heimlich, in Arajaínas Herz.
Als diese dann das Tal längst verlassen hatte, trug sie den Drachen noch bei sich, ohne es zu merken. Sie wuchs auf und wurde zur Frau. Ihr widerfuhr viel Gutes, nicht ausschließlich, aber doch spürbar. Trotzdem konnte sie nicht glücklich sein und fragte sich warum. Der Drache Smaragog hauste derweil in ihrer Brust und schnürte sie zu. Arajaína gab nicht auf und höhlte mit ihrer Kraft und Zähigkeit Tropfen für Tropfen den Stein. Smaragog wehrte sich und es schien, als bliebe Arajaína von ihm besessen.
Da trat die Heilerin Jesivaha in das Leben der jungen Frau und gemeinsam erkannten sie das schreckliche Geistwesen in ihrer Brust. Die Frauen gingen in den Wald. Jesivaha blickte Arajaína fest in die Augen und bat um Vertrauen. Mit einem entschlossenen „Ja“ gab sich die Heldin in Jesivahas Hände, um den letzten Schritt zu tun, den bereits geschwächten Drachen endgültig zu vertreiben. Sie ließ los, ihr Körper fiel auf den weichen Waldboden und zur gleichen Zeit, als das Moos ihre Wange streifte, gab ihre Seele den Drachen Smaragog frei. Er ward nie mehr gesehen. Arajaína schlug die Augen auf und atmete frei.
Die Geschichte Des Lebens
Madeline Albers
Es war ein weit entfernter, vereinsamter Wald. Grauer Nebel zog kilometerweite Schleier, Regen drang durch die triste, verwahrloste Landschaft. Schon lange bahnte sich kein Lichtstrahl mehr in sein tiefstes Inneres. Doch eines Tages bestritt eine mutige Frau den langen Weg entlang der Dunkelheit. Ihr sonnengelber Schirm verscheuchte jedes Nass, ihr Gang war furchtlos und stark.
Nach langem Marsch entdeckte die alte Frau eine kleine, dunkle Höhle. Fast lautlos vernahm sie das pulsierende Herz, das in dem Inneren traurig schlug. Vorsichtig ging sie hinein und blickte in verschreckte Augen.
„Wer ist da?“, fragte die Frau behutsam und setzte sich auf die feuchte Erde. Ihre ruhige Stimme klang vertraut.
„Ich“, ertönte es leise, „Ich bin das Leben.“
Die Augen der Frau fingen an zu leuchten. „Was machst du hier? Bist du denn nicht einsam?“, fragte die alte Frau und rückte näher.
„Doch“, antwortete das Leben, „ich bin einsam. Schon vor langer Zeit lief ich davon, so weit mich meine Füße tragen konnten. Seitdem sah ich niemanden mehr. Das macht mich sehr traurig, doch mir geht es besser hier. Es ist furchtbar dort draußen.“ Das Herz pochte nun nicht mehr vor Angst. Es raste vor Kummer und Wut.
„Sag‘ mir, Kleines, wovor liefst du davon?“ Die alte Frau streichelte zaghaft die Schulter des Lebens. Kaum noch Haut legte sich über die knöcherige Gestalt, sie wirkte kraftlos und von Kälte geschunden. „Vor den Menschen“, erwiderte das Leben mit tiefsitzender Bitterkeit. „Weißt du, es scheint, als würde mich jeder unbedingt wollen, doch niemand weiß mich wirklich zu schätzen. Die Menschen kratzen sich gegenseitig die Augen aus. Doch die Wunden“, erklärte das Leben mit nun brüchiger Stimme“, „die Wunden, die trug ich.“
Die alte Frau nickte verständnisvoll und strich dem Leben eine Träne aus dem Gesicht.
„Das ist nicht alles. Sie führten grundlos Kriege und gaben mir die Schuld. ‚Scheiß Leben‘, sagten sie dann, bis ich ihnen glaubte. Von vielen wurde ich verbannt und ihr Hass stieß mich harsch hinfort. Ich weiß, dass ich nicht immer gerecht war. Und manche Menschen hassten mich zurecht. Doch auch das, was ich jedem gleichsam lehrte, das berührte sie nicht mehr.“
„Mein liebes Leben, was lehrtest du den Menschen?“, fragte die alte Frau neugierig. Ihre zarten Hände schmiegten sich behutsam um die weinende Gestalt.
„Ich lehrte sie, zusammenzuhalten. Ich gab ihnen Individualität, Unterschiede, verschiedene Eigenschaften. Damit sie verstehen, dass jeder besonders, aber deshalb nicht besser oder schlechter ist. Sie sollten lernen, den Wert in sich selbst zu erkennen, doch auch den der anderen Menschen. Viele hatten nicht die selben Voraussetzungen – das konnte ich ihnen nicht bieten. Und ja, manche musste ich vernachlässigen, um mich anderen zu widmen. Doch ihr Hass richtete sich nicht allein gegen mich – er richtete sich gegen den Menschen. Und dann entwickelten sie Neid und Missgunst.“ Das Leben blickte nun traurig zu Boden, der Schmerz war deutlich zu spüren.
„Damit zerstörten sie nicht nur meinen Anteil an ihrem eigenen Dasein, sondern sie erschufen eine Welt, in der es um Hierarchien, Konkurrenz und um Auf- und Abwertungen ging. Mit jedem Schlag, den sie gegen sich ausholten, hielt ich meinen Kopf gleich mehrmals hin. Immer mehr von ihnen verloren die Verbindung zu mir. Bis ich mich entschied, davonzulaufen. Ich ließ ihnen eine Fläche, auf der sie ‚sein‘ konnten. Was sie mit ihr machen, das liegt nun allein bei ihnen.“
„Ich verstehe“, flüsterte die alte Frau und nahm das Leben tröstend in den Arm. „Es tut mir sehr leid, dass es dir so schlecht geht. Doch ich habe lange nach dir gesucht…“ Das Leben schaute überrascht auf, sein Herz schlug wieder schneller.
„Nach mir?“, fragte es ungläubig. Es hatte doch lang niemand nach ihm gefragt.
„Ja“, antwortete die Frau. „Auch ich habe Probleme, die Menschen zu erreichen.“ Sie lächelte, als sei das eine aufbauende Nachricht. Doch dann erzählte sie weiter.
„Seitdem du weg bist, versinkt die Welt im Chaos. Den Menschen fehlt zunehmend der Sinn. Ich habe versucht, ihnen zu helfen und zeigte ihnen, dass sie die falsche Richtung einschlugen. Doch sie verstehen nicht, dass es kein Leben ist, wenn man es auf Kosten anderer führt. Sie glauben, dass sie Glück bekommen, wenn sie es jemandem nehmen und dass sie nur stark sind, weil es woanders Schwäche gibt. Ich brauche deine Hilfe.“
Lange denkt das Leben über die Worte der alten Frau nach.
„Aber sag‘ mir, was kann ich bloß tun?“ Der Zweifel lässt den Boden vibrieren.
„Zeig‘ ihnen, dass es sich lohnt, gut zu sein. Lehre sie, dass Harmonie und Mitgefühl stärker sind als Hass und Furcht. Dann kann ich sie mit dem Gefühl belohnen, nach dem sie sich eigentlich sehnen.“ Die alte Frau steht langsam auf und reicht dem Leben die Hand, um ihr zu folgen. Doch bevor das Leben nach ihr greift, hat es noch eine letzte Frage.
„Sag‘ mir noch, wer bist du eigentlich?“
„Ich…“, antwortete die Frau mit einem Lächeln. „Ich bin die Liebe.“
Eine Geschichte von Madeline Albers, inspiriert von “Das Märchen von der traurigen Traurigkeit” von Inge Wuthe.
Befunde
Anonym
Eine Person geht zum Arzt.
Der HNO Arzt schaut in den Hals, sieht in die Ohren und überprüft die Nase. Am Ende der Untersuchung stellt er fest: Kein Befund.
Der Zahnarzt guckt sich das Gebiss an, lässt die Person auf die Zähne beißen und befindet letztendlich: Kerngesund.
Die Chirurgin erstellt ein Röntgenbild vom ganzen Skelett, sieht sich das an und findet nichts.
Die Augenärztin macht Sehtests, misst den Augendruck und so fort. Auch sie stellt am Ende fest, dass alles in Ordnung ist.
Die Ärztin für Innere Medizin untersucht ebenfalls den Menschen und findet auch nichts.
Der Psychiater macht ebenfalls seine Untersuchungen und schreit: „Akute Lebensgefahr! Diese Symptome müssen wir ernst nehmen!! Vorsorglich in die Klink – Notfall!“
Was ist der Sinn dieser Geschichte? Leider sind psychische Erkrankungen nach meiner Meinung physikalisch oder chemisch nicht messbar.
Der neue Untermieter
Claudia Schütte
Ich bin mit mir allein, kreisende Gedanken, seltsame Gefühle,
plötzlich klopft jemand an meine Türe:
„Hallo Claudia, ich bin die Angst und ziehe gerade bei Dir ein.“
„Was ist in den vielen Koffern?“, frage ich sie.
Sie grinst unschuldig: „Ooch, Panik, Herzrasen und Depressionen!“
„Herr Gott! Hier ist kein Platz für Dich!“
Die Angst scheint das nicht zu interessieren, resolut fügt sie hinzu:
„Hier fühl‘ ich mich wohl, hier bleibe ich!“
Es wird eng in mir. Ich bekomme keine Luft mehr.
Nun laufe ich schon 2 1/2 Jahre mit meinem neuen Untermieter herum!
„Hört, Leute da draußen, wenn Ihr wirklich glaubt,
dass Ihr Vandalen als Untermieter habt – darüber kann ich nur lachen!
Während Ihr euch ängstigt wegen materieller Dinge,
zerfetzt meiner meine Seele!“
Er ist wie ein Tornado, er fragt nicht nach Dingen, er nimmt sie einfach:
Meinen Schlaf, meine Träume, meine Gedanken und Gefühle.
Nichts, aber auch gar nichts ist ihm heilig.
Er wütet mit ihnen und durch sie hindurch.
Wenn er fertig ist spuckt er alles halb angefressen und kaputt an anderen Orten wieder aus.
Ich fühle mich, als bestünde meine Aufgabe nur noch darin,
meine Eigentümer zu kitten, zu kleben und notdürftig zu reparieren!
Versteht mich denn keiner? Ich brauche diese Dinge zum Leben!
Für andere wirke ich isoliert, desinteressiert, lustlos, vielleicht sogar faul.
Keiner weiß von ihnen, dass ich einen 24 Stunden Job erfülle, um überhaupt zu überleben!
„Leute da draußen, wisst Ihr, wie frustrierend ein Job ist, der nur und ausschließlich darin besteht,
das zu reparieren, was ein Anderer mit Freude und Wonne zerstört?“
Oh Gott, wie schön war die Zeit ohne Dich, Angst!
Mir ging es so gut, alles war so …
so einfach unbeschwert, aber das weiß ich erst jetzt!
Mein Untermieter stiehlt auch.
Er hat meine Unbeschwertheit gestohlen.
Etwas, was ich mir für alles Geld der Welt nicht wieder kaufen kann.
Mein Neurologe weist mich in die Klinik ein …
Herrlich! Eine Station voller Menschen, die ihren lästigen Untermieter loswerden wollen!
Gruppentherapien, Expositionen, Ärzte und Pfleger, alle helfen mit!
Mein Untermieter hat zum ersten Mal selber Angst.
Er will verständlicherweise nicht ausziehen.
Darum zieht er alle Register und trickst sie mit List alle aus.
Wie anfangs gesagt, er ist nicht alleine gekommen…
Wenn die Angst des Rebellierens müde ist, schickt sie die Depression an die Front,
die beiden sind so ein verdammt gut eingespieltes Team!
Wenn die eine müde ist, macht die andere weiter.
Siegfried und Roy sind als Team jämmerliche Anfänger dagegen!
Manchmal habe ich das Gefühl, verrückt zu werden.
Zurzeit arbeite ich 30 Stunden am Tag, die Zeit wird knapp.
Es muss noch so vieles repariert, gekittet und geklebt werden…
„Angst! Verdammt nochmal!“
Meine Güte, es ist immer noch mein Haus!
Ich werde kämpfen!
Und dann schmeiß‘ ich Dich
einfach raus!
Meine Diagnose stellt sich vor – Das Nein durch Borderline
Anonym
Ich bin Bordy, die Krankheit von Fabian*. Fabian hatte Nein gesagt, wenn er etwas nicht wollte. Dabei wurde er aber von den Gegnern verlacht und genötigt, schließlich gab er nach. Das Nachgeben machte Fabian aggressiv, das Nein war doch ernst gemeint! Er schlug um sich, was zu Lachern führte, da er nicht der Schnellste und auch nicht der Treffsicherste war. Im Verlauf der Zeit verlor er das Neinsagen. Aber wie setzte er sich durch? Da kam ich zum Vorschein, die emotional instabile Persönlichkeitsstörung, auch Borderline genannt. Ich befähigte ihn, sich durchzusetzen, nur ging ich dabei unter die Gürtellinie. Fabian wurde impulsiv und bisweilen sogar gewalttätig. Im letzten Jahr war Fabian deshalb in einer Klinik, aber er verhielt sich dort ruhig. Da er dort nicht ausrastete, wurde ich „umgetauft“ auf eine neue Diagnose. Inzwischen tauche ich, Bordy, aber wieder auf – allerdings reagiert Fabian nur auf Provokateure. Außerdem hat er dazu gelernt. Ich bin zwar weiterhin Fabians immer wieder kehrende Baustelle – aber er hat inzwischen gemeistert, brenzlige Situationen zu vermeiden und sogar auszusteigen. Wenn Fabian heute Nein sagt, wird er ernst genommen, daher braucht er mich immer seltener.
*Name geändert